An die ferne Geliebte, Op. 98
I.
Auf dem Hügel sitz ich, spähend
in das blaue Nebelland,
nach den fernen Triften sehend,
wo ich dich, Geliebte, fand.
Weit bin ich von dir geschieden,
trennend liegen Berg und Tal
zwischen uns und unserm Frieden,
unserm Glück und unsrer Qual.
Ach, den Blick kannst du nicht sehen,
der zu dir so glühend eilt,
und die Seufzer, sie verwehen,
in dem Raume, der uns teilt.
Will denn nichts mehr zu dir dringen,
nichts der Liebe Bote sein?
Singen will ich, Lieder singen,
die dir klagen meine Pein!
Denn vor Liedesklang entweichet
jeder Raum und jede Zeit,
und ein liebend Herz erreichet,
was ein liebend Herz geweiht!
II.
Wo die Berge so blau
aus dem nebligen Grau
schauen herein,
wo die Sonne verglüht,
wo die Wolke umzieht,
möchte ich sein!
Dort im ruhigen Tal
schweigen Schmerzen und Qual;
wo im Gestein
still die Primel dort sinnt,
weht so leise der Wind,
möchte ich sein!
Hin zum sinnigen Wald
drängt mich Liebesgewalt,
innere Pein.
Ach, mich zög's nicht von hier,
könnt ich, Traute, bei dir
ewiglich sein!
III.
Leichte Segler in den Höhen
und du, Bächlein, klein und schmal:
Könnt mein Liebchen ihr erspähen,
grüßt sie mir viel tausendmal!
Seht, ihr Wolken, sie dann gehen,
sinnend in dem stillen Tal,
lasst mein Bild vor ihr entstehen
in dem luftgen Himmelssaal.
Wird sie an den Büschen stehen,
die nun herbstlich falb und kahl,
klagt ihr, wie mir ist geschehen,
klagt ihr, Vöglein! meine Qual.
Stille Weste, bringt im Wehen
hin zu meiner Herzenswahl
meine Seufzer, die vergehen
wie der Sonne letzter Strahl.
Flüstr' ihr zu mein Liebesflehen,
lass sie, Bächlein, klein und schmal,
treu in deinen Wogen sehen
meine Tränen ohne Zahl.
IV.
Diese Wolken in den Höhen,
dieser Vöglein muntrer Zug
werden dich, o Huldin! sehen –
nehmt mich mit im leichten Flug!
Diese Weste werden spielen
scherzend dir um Wang und Brust,
in den seidnen Locken wühlen –
teilt' ich mit euch diese Lust!
Hin zu dir von jenen Hügeln
emsig dieses Bächlein eilt. –
Wird ihr Bild sich in dir spiegeln,
fließ zurück dann unverweilt!
V.
Es kehret der Maien, es blühet die Au.
Die Lüfte, sie wehen so milde, so lau,
geschwäzig die Bäche nun rinnen;
die Schwalbe, die kehret zum wirtlichen Dach,
sie baut sich so emsig ihr bräutlich Gemach,
die Liebe soll wohnen da drinnen.
Sie bringt sich geschäftig von kreuz und von quer
manch weicheres Stück zu dem Brautbett hieher,
manch wärmendes Stück für die Kleinen.
Nun wohnen die Gatten beisammen so treu,
was Winter geschieden, verband nun der Mai,
was liebet, das weiß er zu einen.
Es kehret der Maien, es blühet die Au.
Die Lüfte, sie wehen so milde, so lau,
nur ich kann nicht ziehen von hinnen;
wenn alles, was liebet, der Frühling vereint,
nur unserer Liebe kein Frühling erscheint,
und Tränen sind all ihr Gewinnen.
VI.
Nimm sie hin denn, diese Lieder,
die ich dir, Geliebte, sang,
singe sie dann abends wieder
zu der Laute süßem Klang.
Wenn das Dämmrungsrot dann ziehet
nach dem stillen blauen See
und sein letzter Strahl verglühet
hinter jener Bergeshöh;
und du singst, was ich gesungen,
was mir aus der vollen Brust
ohne Kunstgepräng' erklungen,
nur der Sehnsucht sich bewusst:
Dann vor diesen Liedern weichet,
was geschieden uns so weit,
und ein liebend Herz erreichet,
was ein liebend Herz geweiht!
Und ein liebend Herz erreichet,
was ein liebend Herz geweiht!
Dann vor diesen Liedern weichet,
was geschieden uns so weit,
und ein liebend Herz erreichet,
was ein liebend Herz geweiht!